Freunde fürs Leben
Timba & Pino
Das gleiche Schicksal
Timba und Pino kennen sich noch nicht. Aber beide verbindet ein trauriges Schicksal. Sie haben keine Mama mehr. Pinos Mama ist bei einem Feuer ums Leben gekommen. Eine große Fläche des Regenwaldes brannte nieder. Pino konnte fliehen, seine Mama leider nicht. Timbas Mama war eines Tages nach einem lauten Knall plötzlich zu Boden gesunken. Timba versuchte, sie mit dem Rüssel aufzuwecken. Vergeblich – sie war tot.
Noch ahnen beide nicht, dass sie bald eine enge Freundschaft verbinden wird. Lies hier, wie alles begann.
Pino will nicht mehr traurig sein
Pino bohrt sich in der Nase und starrt vor sich hin. Sein Blick geht zu einer kleinen Gruppe wild spielender Affen. „Wieso lassen sie mich nicht mitspielen? Wieso ärgern sie mich immer?“ Er seufzt, und eine Träne kullert ihm über die Wange. „Ich habe ihnen doch nichts getan.“ Der junge Schimpanse ist unendlich traurig und fühlt sich allein.
Die Sonne geht langsam unter. Es wird still. Wie jeden Abend baut er sich aus Blättern und Zweigen sein gemütliches und stabiles Baumbett in einem Muhimbi-Baum*.
Eingekuschelt grübelt Pino: „Ich will nicht mehr traurig sein. Ich will endlich glücklich werden und mir einen Freund suchen. Gleich morgen früh nach dem Frühstück werde ich in mein neues, glückliches Leben starten.“ Und so schläft er fest ein.
*Muhimbi-Baum: In Afrika, wo Pino lebt, kommt der Muhimbi-Baum gar nicht so oft vor. Nur etwa jeder zehnte Baum ist von dieser Art. Aber Schimpansen machen sich ihr Schlaflager aus gutem Grund auf diesem Baum. Mit den Ästen lässt sich ein gemütliches Baumbett anlegen, denn sie sind von allen Bäumen in dem Gebiet am steifsten. Sie können deshalb nicht so schnell durchbrechen.
Pino wird von einem lauten Geräusch geweckt.
Unter seinem Schlafnest spielen drei junge Affen miteinander. Sie raufen sich und fuchteln mit ihren Armen und Füßen herum.
Die Sonne steht schon hoch am Himmel. Heute geht es los. Heute startet Pino seine Reise in das neue Leben. So langsam wird er nervös. Einerseits freut er sich auf das große Abenteuer. Andererseits hat er Angst. Was passiert da draußen? Wird er zurechtkommen?
Aber erst einmal muss er sich noch stärken. Pino klettert schnell vom Baum herunter. Auf dem Boden liegen die reifen Panda-Nüsse – sein Leibgericht. Seine Mama hatte ihm beigebracht, wie die harten Nüsse geknackt werden. Pino legt eine Nuss auf eine harte Baumwurzel. Gekonnt zerschlägt er die Schale mit einem Stein. „Oh, lecker.“ Eine nach der anderen knackt er.
Zum Anfang ging es mit dem Nussknacken immer wieder schief. Einmal – das weiß er noch – hatte er sich einen dicken Holzknüppel als Hammer gesucht. Der war aber morsch und zerbrach natürlich, als Pino versuchte, damit die Schale zu zerschlagen.
Ein letztes Mal schaut Pino zu den anderen drei Affen. Sie lausen sich jetzt gegenseitig das Fell. Der letzte Affe, der ihn gelaust hatte, das war seine Mama. Er hatte sich damals in ihren Schoß gekuschelt. Millimeter um Millimeter wühlte sie sich durch sein dichtes Haar. Sein Herz schmerzt. Es tut ihm so weh, dass sie nicht mehr bei ihm ist.
Die Sonnenstrahlen kitzeln Pinos niedliche Stupsnase.
Mit einem blinzelnden Blick nach unten bemerkt er ein Elefantenmädchen mit riesengroßen Ohren, die hin und her wackeln.
Plötzlich bricht ein Ast ab und fällt dem Elefantenmädchen direkt auf den Kopf.
„Aua! Was soll das, warum hast du das getan?“
Pino stottert: „Also, ich … ich war das nicht.“
„Hm, lass mich mal nachdenken.“ Das Elefantenmädchen kneift die Augen zusammen. „Dann ist der Ast wohl allein vom Baum gefallen?“
Pino nickt. Schnell klettert er nach unten. „Vielleicht ist der Ast ja auch durch das Stampfen mit deinen dicken Füßen abgebrochen?“ Pino spricht so leise, dass es kaum zu hören ist.
„Ich, dicke Füße? Das ist ja wohl eine unerhörte Frechheit.“ Beleidigt dreht sie sich um und geht davon.
„Warte, wohin willst du denn?“, fragt Pino hastig.
„Das geht dich gar nichts an“, brummt sie ihn an.
Pino schaut ihr nach. Das ist seine Chance. Vielleicht muss er dann nicht allein in diese große Welt. „Bitte warte. Ich kann doch mit dir gehen.“ Aber das Elefantenmädchen hört ihn nicht. Oder will sie ihn nicht hören?
Pino rennt ihr hastig hinterher. Plötzlich stolpert er und fällt in ein tiefes Loch. „Hilfe, bitte hilf mir!“
Das Elefantenmädchen hört es aus der Ferne rufen. Sie ist unsicher. Schnell dreht sie sich um und rennt in Richtung Hilfeschrei. Nach Luft japsend steht sie vor dem Loch. Pino schaut nach oben. Seine Augen sind weit aufgerissen.
„Du hast das doch mit Absicht gemacht? Du wolltest nur, dass ich zu dir zurückkomme, oder?“ Sie ist noch völlig außer Atem.
„Nein, das ist nicht wahr. Bitte glaube mir, ich bin gestolpert“, antwortet Pino.
„Du bist meine Heldin!“
Plötzlich kommen die drei Affen zu dem Loch gerannt, lachen ganz laut und rufen zu Pino hinunter: „Na, da hat wohl das kleine Baby im Dunkeln Angst?“
Das Elefantenmädchen schaut die drei mit zusammengekniffenen Augen an. „Lasst ihn in Ruhe, haut ab!“ Mit dieser Reaktion haben die drei nicht gerechnet und rennen weg.
Schnell lässt sie ihren Rüssel nach unten. Pino klettert an ihm hoch. Oben angekommen, strahlt er das Elefantenmädchen an.
Spontan umarmt er sie. „Ich danke dir. Ich bin so froh, dass du mich da rausgeholt hast. Du bist meine Heldin.“
Stolz schaut sie ihn an: „Waren das deine Freunde?“ Pino schüttelt den Kopf. „Nein, sie ärgern mich immer. Ich habe keine Freunde.“
Das Elefantenmädchen blickt ihn mitleidig an: „Wie heißt du eigentlich?“
„Ich bin Pino. Und wie heißt du?“
„Timba …, ich heiße Timba“, antwortet sie.
„Wollen wir Freunde sein?“ Pino hat Angst, dass Timba das nicht möchte. Aber er musste sie das fragen.
„Warum eigentlich nicht, jetzt, wo ich dich gerettet habe“, erwidert Timba.
Herrlich – ein Sprung ins kühle Nass
Timba wedelt sich mit ihren großen Ohren Luft zu. „Es ist so heiß, kommst du mit?“ Pino schaut sie neugierig an. „Gern, aber wohin?“
„Siehst du das Wasser da hinten? Ich gehe jetzt baden.“ Timbas Augen strahlen vor Freude. Schon rennt sie los. Pino folgt ihr.
Timba planscht mitten im Wasserloch, als Pino ankommt. Mit ihrem Rüssel saugt sie sehr viel Wasser ein und spritzt es dann nach oben. Wie bei einer Dusche rauscht das Wasser an ihrer dicken Haut hinab. Herrlich – dieses kühle Nass.
Pino steht nun direkt vor ihr. Da spritzt sie ihn auch schon voll. Wie ein begossener Pudel sieht Pino aus. Timba lacht schallend. „Komm doch rein, es ist so schön.“ Pino weiß nicht so recht. Er kann nicht schwimmen. „Ist es sehr tief?“
Timba geht ein paar Schritte auf ihn zu. „Nein, schau mal. Hier kannst du locker stehen.“
Langsam, Schritt für Schritt geht Pino ins Wasser. Oh ja, Timba hat recht. Es ist wundervoll erfrischend. Pino nimmt gleich mal einen großen Schluck. Da kommt auch schon die nächste Dusche von Timba. Pino lacht: „Na warte, das bekommst du zurück.“ Er hüpft durch das Wasser. Mit seinen langen Armen planscht er herum und spritzt Timba so richtig voll. Beide liefern sich ihre erste gemeinsame Wasserschlacht und genießen den Badespaß.
Leseprobe: "Timba und Pino – Freunde fürs Leben"
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